Höfe am Brühl - ein architektonisches Ungetüm

Eröffnung der „Höfe am Brühl“ – kein Anlass zur Freude für die Leipziger

Pressemitteilung des Stadtforums vom  24. September 2012

 

Morgen öffnen die neuen Höfe am Brühl. Leipzig kann sich darüber nicht freuen. Wenig tröstlich ist, dass es noch schlimmer kommen sollte. Der Investor mfi hatte ursprünglich einen reinen Zweckbau in der Art des Paunsdorfcenters geplant. Hier ist es gelungen, einen Architekturwettbewerb durch zu setzen, die alte Plauensche Straße im historischen Verlauf wieder aufleben zu lassen und eine überhastete Bebauung des alten Matthäikirchhofs für Ausgleichsflächen (Wohnen) auf zu halten. Dennoch ist im Ergebnis ein architektonisches Ungetüm entstanden. Die riesigen Baumassen und die Anforderungen des Investors haben keine zufrieden stellende Lösung zugelassen. Der Bau ist vor allem nach Innen orientiert und zudem weitgehend ein gewaltiges Parkhaus und so sieht er auch aus.


In Leipzig herrscht zudem kein Mangel an Verkaufsflächen. Jetzt beginnt eine neue Runde im innerstädtischen Verdrängungs­wettbewerb. Gefährdet sind nun einige der nur schwer konsolidierten Einkaufslagen in den Straßen und Passagen der Innenstadt. Ebenfalls erhöht sich der Druck auf Karstadt und die Promenaden im Hauptbahnhof. In den zahlreichen Fällen war die Modernisie­rung innerstädtischer Verkaufsflächen mit einer weitgehenden Entkernung der historischen Bauten verbunden. Diesen Verlusten jahrhunderte- oder jahrzehntealter einmaliger Bausubstanz könnte nun bald der Leerstand nicht nur dieser monofunktionalen Neubauflächen folgen, sondern auch der erst seit wenigen Jahren wieder lebendiger Innenstadtlagen überhaupt. Nicht auszu­schließen ist ein mittelfristiger Niedergang der Promenaden im Hauptbahnhof, womit langfristig selbst der Bestand des schon lange nur noch im Nebenzweck dem Bahnverkehr diendenden Gebäudes zu befürchten ist.


Vertan wurde am Brühl selbst die Chance, auf den insgesamt 52 Vorkriegs-Grundstücken ein lebendiges und vielfältiges Stadt­viertel wieder erstehen zulassen. Ein solches Viertel, bebaut und genutzt durch eine Vielzahl von Eigentümern hätte erfahrungs­gemäß gegenüber dem jetzt entstandenden monofunktionalen Riesenklotz auch erheblich höhere Zukunftschancen. Einer der ältesten Straßen der Stadt überhaupt.


Nicht zuletzt muss an den nun endgültigen Verlust der herrlichen Hänsel-Kaufhausfassade von 1908 des alten Kaufhauses am Brühl erinnert werden. Der Abbruch dieser seit den 1960er Jahren unter dem Blech der Blechbüchse verborgenen Fassade war nur deshalb möglich geworden, weil Öffentlichkeit und Denkmalpflege frühzeitig über den wahren Erhaltungszustand getäuscht worden waren. Der dann in mehreren Aktionen, Wortmeldungen und Unterschriftenlisten geäußerte Wunsch zahlreicher Leipziger für den Erhalt wurde ignoriert. Nun befindet sich unter dem wieder angebrachten Blech die hochbunkerartige Betonfront eines Parkhauses.

 

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung: Wolfram Günther, Sprecher, unter 0179-7051859.
i. A.
Wolfram Günther, Sprecher des Stadtforum Leipzig

 

 

Das Baustein-Magazin 02/2012 (Baukultur-Magazin des Netzwerks der Stadtforen Mitteldeutschlands) hat sich mit dem Schwerpunkt-Thema "Der Angriff der Shoppingcenter auf die Altstädte" auf den Seiten 48-55 auch diesem Shoppingcenter gewidmet.

Baustein_Magazin 02/2012
BAUSTEIN_022012_NetzwerkStadtforen_K2.pd[...]
PDF-Dokument [12.5 MB]

"Erlebbarkeit des historischen Fassadenrestes“ - ein Hohn

Die Blechfassade wurde ab März 2012 an einem neu errichteten Betonbau an­gebracht. Das Teilstück der Naturstein­fassade, das vom historischen Kaufhaus am Brühl übrig blieb, verschwand dabei hinter der Aluminium-Fassade. Es wird weder von Außen noch von Innen unmittelbar sichtbar bleiben. Lediglich vom Treppenhaus aus soll man in den Zwischenraum zur Blechverkleidung schauen können. In einem Brief äußert sich ein Leser der „Leipziger Volkszeitung folgendermaßen „Was nützt ein Denkmal, das niemand sieht?"



Die Eröffnung der Höfe am Brühl erfolgte am 25.09.2012. Die sog. „Erlebbarkeit des historischen Fassadenrestes“ kann nur als Hohn bezeichnet werden. Der präsentierte Fassadenrest ist lediglich von einem seitlichen Treppenhaus aus erreichbar. In einem schmalen Zwischenraum fast unmittelbar hinter der Blechfassade, nur durch einen Sehschlitz hinter einer Glasscheibe zu betrachten, ist er kaum sichtbar. 

Bei Klick sehen Sie die Bilder vergrößert.


Das linke Foto zeigt einen Sehschlitz, frontal auf die Rückseite der Blechfassade gerichtet. Hier ist der Fassadenrest nicht zu sehen.

 

Das rechte Foto zeigt einen Sehschlitz, der den Blick auf den Fassadenrest herstellen soll. Hier ist links die Blechfassade und rechts ein Teil des Fassadenrestes zu sehen.

 

Weitere Fotos sehen Sie auch in einem Beitrag auf einer Seite des Deutschen-Architektur-Forums.

BILD-Zeitung vom 01.10.2012: In einem Spalt im Treppenhaus der Blechbüchse - Hier versteckt sich die alte Brühl-Fassade

Die Bild-Zeitung schreibt u. a.:

Investor mfi versprach, es wenigstens von innen zugänglich zu machen.

Doch bis jetzt weist nicht mal ein Hinweisschild den Weg. Das Personal am Info-Tresen kennt das Problem: Täglich fragen Dutzende Leute danach. „Das Interesse ist riesig", bestätigt ein Mitarbeiter.

Die Enttäuschung folgt im Treppenhaus der Blechbüchse: Nur seitlich kann man durch einen etwa 80 Zentimeter breiten verglasten Spalt gucken.

Mfi-Sprecher Thorsten Müller (45) erklärt: „Das ist momentan noch eine vorläufige Lösung. Es ist noch nicht ganz fertig. Erst in etwa sechs Wochen können wir zeigen, wie es endgültig aussieht."

Weiterhin wurde zu einem TED aufgerufen.

Ergebnis:

  • Klar! Das sollte allen zugänglich gemacht werden, ist doch interessant für die Besucher.
    80%
  • Nein! Das alte Ding kann ruhig versteckt bleiben, die neue Fassade ist doch eh schicker.
    2o%



Kreuzer Heft 11 (2012): Architektur: Introvertierte Banalität

Das Leipziger Stadtmagazin "Kreuzer" schreibt im Heft 11 unter der obigen Überschrift u. a.: Die neuen Höfe am Brühl bleiben trotz des gestalterischen Anspruchs eine ganz gewöhnliche Shopping-Mail.

Und:

Doch schaut man genauer hin, sind all die Bemühungen wenig mehr als Spielereien, welche die Monotonie des Kolosses nicht verbergen können.

Weder eine Spitzenleistung der Baukunst noch ein Raum für vielfältiges urbanes Leben ist mit den Höfen am Brühl entstanden, vielmehr wurde ein ganzes Altstadtquartier einer monofunktionalen Nutzung unterworfen.

 

Zwei weitere Artikel tragen die Zwischenüberschriften:

"Wie die Leipziger Volkszeitung die Höfe am Brühl samt eigenem Laden hochjubelt"

und

"Die Gastronomie in den Höfen bietet fast ausnahmslos Fastfood"

Hocquels Freude über die Blechfassade

Auf die Frage "Was freut Sie bei einem Blick auf die neuen Höfe am Brühl am meisten?" antwortet Dr. Wolfgang Hocquel:

In erster Linie ist für mich sehr wertvoll, dass die Aluminiumfassade von Harry Müller nun auch wieder an ihrer ursprünglichen Stelle zu sehen ist. Es ist einfach eine wunderschöne Fassade, für mich eine der schönsten industriell hergestellten Metallfassaden überhaupt. Ich habe schon viele Städte und viele Gebäude gesehen, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals eine schönere gesehen zu haben.
Quelle: Eröffnungsmagazin „Höfe am Brühl“ vom 25.09.2012
(Herausgeber mfi, Vertrieb LVZ)

 

Zur Rolle von Dr. Hocquell bei der Genehmigung des Abrisses des historischen Kaufhauses finden Sie einige Bemerkungen ganz unten auf der Seite "Abrißgenehmigung Kaufhaus".



Kaufhaus Brühl - Ein Teil Leipzigs stirbt

Frühjahr 2010: Kaufhaus Brühl kurz vor dem Abriss (Sicht von der Hainstraße aus)
Historische Ansicht Kaufhaus Brühl
04.06.2010: Vorschlag der Bürgerinitiative - Rekonstruktion Kaufhaus (Fotomontage)
08.04.2010: Renato Bodenburg kettet sich aus Protest an die Fassade des Kaufhauses Brühl an
04.06.2010: Vorschlag der Bürgerinitiative:- Blechfassade auf Seite Hallisches Tor versetzt (Fotomontage)
Juli 2010: Abriss Kaufhaus Brühl durch den Investor mfi
Mai 2012: Fassadenrest ist noch sichtbar

 

 

 

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